Montag, 19. September 2016

Die Frauenkirche zu München - Version 2 - Die Recherche

Es gibt ja durchaus einiges was sich auf Flohmärkten finden lässt. Und irgendwie scheint ja auch immer für jeden etwas dabei zu sein. Zumindest scheint mir das immer so, wenn ich sehe was die Leute so alles abschleppen :-)

Ich freue mich immer, wenn ich irgendwo ein paar Glasplatten entdecke.
So wie diese hier, die vor ein paar Wochen in ihrem Kistchen auf einem Flohmarkttisch lagen und unbedingt mit mussten...



Karton für Fotoplatten - Perorto - Farbempfindliche Moment-Platte - Otto PerutzKarton für Fotoplatten - Perorto - Farbempfindliche Moment-Platte - Otto Perutz

Farbempfindliche Moment-Platte. Soso...
Mitgenommen habe ich die Platten dann wegen der Kirchtürme auf einer der Platten. Irgendwie kamen sie mir bekannt vor.



Neben der Münchener Frauenkirche erkennt man neben einer Baulücke im Hintergund den "Alten Peter", den Turm der Pfarrkirche Sankt Peter, den wohl jeder Münchner kennt.

Glasnegativ der Münchener Frauenkirche um 1910 - DetailGlasnegativ der Münchener Frauenkirche um 1910 - Detail

Da Glasplatten-Negative über einen recht langen Zeitraum verwendet wurden - je nach Quelle werden die Jahre ab ca. 1880 bis in die 1960er hinein genannt - ist es nicht immer ganz einfach die Entstehung eines Fotos zu datieren.
Bei dem Foto der Münchener Frauenkirche sieht man im Vordergrund eine Baulücke und "Aufräumarbeiten". 
Entsprechend war mein erster Gedanke; wird in der Nachkriegszeit gewesen sein. Da der alte Peter im Hintergund schon wieder steht, nach 1954. -> ...wikipedia.org/.../St._Peter_...  
Andererseits wirkt das Foto eher wie 1920, nicht wie Mitte der 1950er.

Jetzt verändern sich Bauwerke wie die Frauenkirche über die Zeit und aktuell ist sie ja auch wieder eingerüstet. Also habe ich alte Bilder und Postkarten im Netz gesucht. Und irgendwann fiel mir auf, am linken Turm sieht man über der "Revisionstüre" den Schatten eines Balken. Dieser Schatten fehlt am rechten Turm.


Glasnegativ der Münchener Frauenkirche um 1910 - Detail


Glasnegativ der Münchener Frauenkirche um 1910 - Detail linker TurmGlasnegativ der Münchener Frauenkirche um 1910 - Detail rechter Turm
  
Auf dieser Postkarte aus 1955 sieht man deutlich, beim Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg wurd offenbar auch am rechten Turm der entsprechende Balken. Ebenso auf einer Karte aus 1969/1970.

>Auf Bildern um 1920 fehlt hingegen der Balken am rechten Turm. Ich habe mir daher für den Blog eine alte Karte besorgt und siehe da, passt.


Postkarte der Münchener Frauenkirche um 1920Postkarte der Münchener Frauenkirche um 1920 - Detail


Postkarte der Münchener Frauenkirche um 1920 - Detail - linker TurmPostkarte der Münchener Frauenkirche um 1920 - Detail - rechter Turm
 
Auch hier ist links der Schatten des Balken zu sehen, rechts fehlt er.
Ich gehe also davon aus, dass der Balken am rechten Turm erst nach 1948, im Zuge des Wiederaufbaus, eingebaut wurde.  

Die Baulücke ist demnach wohl nicht im Krieg entstanden sondern früher. Also weiter im Text...
Sie befindet sich dort, wo heute das Polizeipräsidium München steht. Und damit im Bereich des Augustinerklosters, bzw. Areal des Augustinerstocks.

Und zu diesen Informationen gibt es dann auch wieder weitere Verweise und Schriften.

z.B. auf der Seite ->   ...Haus der Bayerischen Geschichte...
>>Auf dem Areal des Augustinerstocks entstand 1912 das Münchner Polizeipräsidium.<<

Und in einer Magisterarbeit von Uli Walter: ... Walter, Uli (2013): Der Umbau der Münchener Altstadt (1871–1914)...
>>Im Oktober 1910 erhielt er den Auftrag zur Bauführung; im Herbst
1913 war der Bau abgeschlossen.
Also war die Baulücke spätestens im Herbst 1913 nicht mehr vorhanden, und vor 1910 standen dort die alten Gebäude des Augustinerklosters.

Google-Books enthält ein Buch: Architektur in München seit 1900: Ein Wegweiser von Gerd Fischer



Dort sieht man, dass die Sichtachse Richtung alter Peter an der Frauenkirche vorbei, nach dem Neubau nicht mehr existiert. (Der fette schwarze Block links neben der Kirche.)

Tja, und soetwas passiert, wenn man mal schnell schauen will, von wann ein Bild von der Frauenkirche sein könnte. :-) Eigentlich eine Geschichte die in ein paar Minuten recherchiert ist. Und dann kommt man vom Hundersten zum Tausendsten und liest Berichte über die Baugeschichte in München oder über die Rettung der Augustinerkirche...

Aber so wurde auch diesem Foto eine Geschichte entlockt, die man auf den ersten Blick kaum erwarten würde...

Und in diesem Sinne eine schöne Zeit
Peter